Photo: Simonga-Maliko © Peter Kuthan
Parade ist “gehende Musik” aus allen Himmelsrichtungen, aus verschiedenen Zeiten und Weltgegenden, wie sie für Umzüge, Aufmärsche oder Prozessionen im öffentlichen Raum geschaffen wurde. Die Begegnung verschiedener Klangwelten konzentriert sich ohne Rücksicht auf die geografische Herkunft, historische Vorbilder oder exotische Klischees auf das reine Klangerlebnis. Die einfache, weil unverstärkte und gleichzeitig komplexe Hörerfahrung vermittelt Fremdes in vertrauter Umgebung und Vertrautes in Verfremdung. Das Fremde kommt uns daheim am nächsten.
Parade ist nicht ein traditioneller, linearer Marschzug von A nach B, sondern überzieht den Stadtteil in scheinbar ungeordneten loops und Mäandern: ein kreativer Umgang mit kultureller Vielfalt als hörlustbetontem und gleichzeitig selbst reguliertem “clash of civilisations”. Der Stadtraum wird musikalisch neu verhandelt: call und response, Nähe und Distanz, Entfernung und Begegnung. Die ZuhörerInnen treten aus ihrer Rolle als Publikum und bestimmen ihre Hörperspektive und damit Teilhabe selbst. Manche Menschen werden der Parade folgen, andere einfach unterwegs oder vor den Fenstern überrascht. Sie stehen nicht Spalier, sondern werden – ob intendiert oder unvermutet - eingekreist und spielerisch einbezogen. Sie schaffen sich ihre Hörgeschichte selbst.
Die drei Spielfelder für diese musikalischen Stadtwanderungen sind bewusst am Linzer Stadtrand angesiedelt – in der solarCity, im Hafengebiet, am Pöstlingberg. Stadtrand bedeutet mitunter Monokultur, Abgrenzung und Einschränkung. Konkret: Schlafstadt, Industriegebiet, Wahrzeichen. Also das Gegenteil von urbaner Multifunktionalität und kultureller Vieldeutigkeit. Die Parade unterstreicht, dass die Grenzen heute fließender, die Lebensformen beweglicher geworden sind. Sie öffnet die Ohren für neue Klangwelten und betont damit die Weltoffenheit der Stadt. Sie erweitert den Horizont der Kulturhauptstadt: Europa als „die [Frau] mit der weiten Sicht“(wikipedia).
Die solarCity wurde als “ökologisches Musterprojekt” mit der Ambition moderner Stadtentwicklung geplant und ist heute der Linzer Stadtteil mit dem niedrigsten Anteil von BewohnerInnen mit Migrationshintergrund – ein augenfälliger Widerspruch. Der Stadthafen an der Donau ist eine historisch gewachsene Industrielandschaft, die sich im rapiden Umbruch befindet. Der Pöstlingberg ist seit jeher Wahrzeichen und Hausberg von Linz, aber zeitweise in Gefahr zum Disneyland zu mutieren. Parade wird den drei Stadtteilen vielfältige und vieldeutige Sinne verleihen und damit den Stadtrand ins Zentrum urbaner Aufmerksamkeit rücken. Zelte als Symbole beweglicher Lebenskonzepte und prekären Übergangs markieren Orientierungs- und Kreuzungspunkte. Linz in Transit.