wie ist es möglich, dass mitteleuropäische musiker, in deren abendländischer tradition die spontane erfindung (improvisation) im laufe der letzten zwei jahrhunderte völlig zum erliegen gekommen ist, in afrika nicht belächelt werden, wenn sie ihre mühselig unter zuhilfenahmea fro-amerikanischer popularmusik wiedergefundene freiheit eben da präsentieren, wo sie vielleicht herkommt? ist afrika auch zum musikalischen rohstofflieferanten geworden – eine erschöpfliche, weil verschmutzte quelle der inspiration für die, die wirklich geld mit musik machen? können wir uns überhaupt ursprüngliche oder eigenständige afrikanische musikformen vorstellen, wo wir doch wissen, wie dieser ganze kontinent von christlichen und islamischen missionsmaschinisten auch musikalisch uniformiert worden ist; mit kinderliedhaften 1­4­5­abfolgen von dreiklängen und orientalischen skalen? haben nicht die christlichen brüder und schwestern die blutige vorarbeit für diese worldmusic geleistet, die es mir jetzt möglich macht, ganz beschwerdefrei mit musikern des nördlichen, südlichen, westlichen und östlichen afrikas zu jammen? ist nicht gerade mein hauptinstrument, die ziehharmonika, für das verschwinden von hochentwickelten, regionalen musikstilen mitverantwortlich, die der lauten, mehr oder minder wohltemperierten zwölftönigkeit nicht standhalten konnten? empfiehlt es sich für einen aus europa stammenden freund afrikas, der nichts wirklich greifbares zum wohlstand seiner bewohner beitragen kann, nicht doch lieber zu hause zu bleiben?

wach’ ich oder träum’ ich?  

vorm ersten hahnenschrei wache ich auf; ich werde die alte frau heiraten, mit dem königslächeln des gansbachers alle bräuche erdulden. sie reicht mir ihre hand für immer; wie lang das ist, wissen wir nicht, da wir ihr alter nicht kennen.

die raue, brüchige, aber keineswegs zerbrechliche stimme mahnt uns aufzuwachen und meine verträumte ziehharmonika singt und atmet mit der wachen alten. die alte erhebt ihre stimme einer axt gleich, und lässt sie gewaltig auf das zittrige, harmonische häuschen niedersinken, ja krachen. gern heirate ich sie nicht, aber sie hat mich verhext, zwingt mich und ich folge meinem auftrag, der darin besteht, die weltmusik zu retten.

beinahe jeden tag spiele ich mit der alten; sonst habe ich viel zeit. ihre nichte führt mich. ich schlafe auch mit ihr; träumen dürfen wir nicht.

beim dritten hahnenschrei um 5:38 bin ich schon verheiratet; die krähen widersprechen; in irgendeinem nachtclub prügelt sich irgendeine afromusik; ich bin in stonetown.

nicht jedes geräusch dieses frühen morgens ist so deutbar, wie die krähen. erste, unglaubüberige gebetsfetzen werden vom erwachenden wind vorbeigeschleift.

07.07.2010 04:54    

diese schmahlgassige stadt ist mir sehr behaglich und ich fürchte mich vor nichts und niemandem. ein entspannter, mittelschneller swing liegt in der feuchten luft; wäre ich nicht musiker, könnte ich hier leben. vor meiner blindheit scheuen sich die leute nicht, ob sie aber was mit meiner musik anfangen können, ist mindestens fraglich.

vor unserem konzert in der ruine des sultanspalastes reiche ich dem double der prinzessin die hand, und sie lässt sie nicht los. warum, werde ich mich vermutlich noch lange fragen; die reise

ist voller missverständnisse beim händeschütteln. ich bin etwas scheu und vorsichtig, aber nicht furchtsam. und doch die angst:

mein interesse für fremdes gründet sich ja doch nur auf vernunft, dieser nicht beschreibbaren,

unverlässlichen, instabilen, vermutlich abendländischen erfindung; vor persönlichen begegnungen mit anders sprechenden, denkenden oder riechenden schrecke ich immer wieder zurück. kommuniziere ich eigentlich gern?

wäre da nicht die musik, meine domäne, so wäre ich wirklich ein miserabler besucher; ein stiller beobachter, der nicht einmal zuschauen kann. so fragt sich, ob nicht mancher erklärte fremdenfeind in der persönlichen begegnung offener, neugieriger und durchlässiger ist,

als ich es bin. was also, wenn die musik zwar die herzen der zuhörer öffnet, aber mein eigenes nicht?       

ansprüchen genügen zu wollen, seien es nun fremde oder die eigenen, ist freilich immer ein bisschen lähmend und fördert nicht die spontanität; aber es bleibt die frage: bin ich wirklich gereist? 

eindrücke

eine tiefe traurigkeit beim hören der probe einer ­ bei uns würde man vielleicht sagen ­ tanztheatergruppe, die vielleicht zu schön singt, im vielleicht zu schönen kulturzentrum in bagamoyo; zuversicht und größten respekt für die arbeit des CCBRT und die hoffnung, dass man in afrika vieles von vornherein besser und einfacher machen kann; das schmackhafteste gebratene ziegenfleisch gibt es übrigens in einer tankstelle in tansania; auf sansibar würde ich gerne orientalische musik studieren; nie und nirgends habe ich so große frösche gehört, wie in dar es salam; vergnügungstourismus ist scheisse für tirol und afrika; zusammenhänge zwischen schleier einerseits, selbstbewusstsein und freiheit andererseits scheinen mir nicht fassbar; in sansibar gibts chinesisches und arabisches ukw-radio; segeln ist auch